Block 1: 21. - 22.7.2017 im Erbacher Hof, Mainz
Nach vielen Diskussionen und mehreren Treffen der Vorbereitungsgruppe startete die Schulung für die Arbeit mit Angehörigen nach dem CRAFT Ansatz. Bei heißen Temperaturen konnte Dr. Gallus Bischof von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Lübeck 14 Teilnehmerinnen begrüßen. Die Gruppe setzte sich zusammen aus Angehörigen, Leitungen von Angehörigengruppen, Interessierten und Beraterinnen, sodass ein interessanter Austausch stattfinden konnte.
Der Kreuzbund des Diözesanverbandes Mainz e.V. will damit einen Startschuss setzen um die Arbeit mit Angehörigen methodisch auf neue Füße zu stellen. Ersten Gruppen in Raunheim, Mainz und Bingen sollen weitere folgen. Neben den Selbsthilfegruppen, die schon seit Jahren auch für Angehörige offen stehen, sollen spezielle Gruppen nur für Angehörige entstehen um dem Bedarf nach Unterstützung und Hilfe dieser Menschen gerecht zu werden.
In diesem ersten von insgesamt zwei Schulungsblöcken wurde durch Dr. Bischof der CRAFT Ansatz den Teilnehmerinnen vorgestellt. Der aus den USA kommende und auf der Verhaltenstherapie basierende Ansatz vermittelt eine respektvolle Haltung den Angehörigen und den Suchtkranken gegenüber und beruht auf der Annahme, dass das konsumierende Verhalten des Betroffenen nicht mehr verstärkt werden soll. Er gibt Beratern und Beraterinnen, Mitgliedern der Selbsthilfe und Angehörigen Instrumente an die Hand mit deren Hilfe Änderungen in der Kommunikation und der Beziehung in den Familien erzielt werden können. Angehörige sollen nicht mehr macht- und hilflos sein in einer Situation, die für alle Familienmitglieder scheinbar ausweglos und krankmachend ist.
Die Teilnehmerinnen waren am Ende der beiden Tage voller neuer Informationen, die durch Dr. Bischof sehr lebendig und anhand vieler Beispiele und Übungen vermittelt werden konnte. Die Abschlussrunde zeigte, dass alle Teilnehmerinnen die Schulung als sehr positiv, kurzweilig und lebendig erlebt haben. Es wurde deutlich, dass es um kleine und kleinste neue Schritte geht, die wichtig sind und den Angehörigen Mut machen ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen und zu gestalten.
Finanziell wurde die Schulung durch Zuschüsse des DiCV Mainz e.V., der Fraport AG und der AOK ermöglicht. Herzlichen Dank dafür.
Zum Hintergrund:
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es ca. 10 Mio. Angehörige von missbräuchlich konsumierenden oder abhängigen Suchtmittelkonsumierenden. Durch Studien wissen wir dass sich die medizinischen Behandlungskosten bei Angehörigen während des Konsums eines Familienmitglieds verdoppeln. Grund dafür ist, dass die Suchterkrankung eines Familienmitglieds einen immensen Stressfaktor darstellt. Diese Kosten gehen nachweisbar zurück, sobald der Betroffene in Behandlung ist.
Obwohl seit 2015 bei den Nationalen Gesundheitszielen die Reduzierung des Alkoholkonsums aufgenommen wurde und damit die Unterstützung suchtbelasteter Familien und ihrer Kinder klar benannt wurden, ist dieser Personenkreis weiter stigmatisiert und in unserer Gesellschaft allein gelassen. Die Refinanzierung eines Angebots für Angehörige ist in Hessen derzeit kaum möglich. Lediglich 6% dieser Gruppe hat Zugang zum Hilfe System. In den Selbsthilfegruppen stehen Angehörigen seit Jahren die Türen offen, aber auch hier ist der Zugang nicht entsprechend den zu erwarteten Menschen mit einem Bedarf.
Konzepte in der Arbeit mit Angehörigen:
- Co-Abhängigkeit
In der Selbsthilfe ist seit den 50er Jahren der Ansatz der Co-Abhängigkeit verbreitet und erfreut sich großer Beliebtheit. Er hat geholfen, der Not und dem Hilfebedarf der Angehörigen eine Stimme zu geben. Studien belegen allerdings inzwischen, dass dieses Konzept nachweislich nicht wirkt. Das Konzept der "Co-Abhängigkeit" ist daher wissenschaftlich sehr umstritten und gilt inzwischen als überholt. Es wird als kontraproduktiv verstanden, da es die Angehörigen zusätzlich stigmatisiert und eine Mitschuld am Konsum des Betroffenen signalisiert.
- CRAFT Ansatz
Der CRAFT Ansatz (Community Reinforcement Ansatz Familien Training) kommt aus den USA und beruht auf der Annahme, dass das konsumierende Verhalten des Betroffenen nicht mehr verstärkt werden soll. Vielmehr soll gezielt das Verhalten verstärkt werden, dass abstinentes/gesundes Verhalten fördert.
Ziele des Ansatzes sind die Verbesserung der Lebenszufriedenheit der Angehörigen, die Reduzierung des Substanzkonsums und die Behandlungsaufnahme des Betroffenen.
Dieser Ansatz ist auch für Angehörige anstrengend weil auch von ihnen Änderung im Kommunikationsverhalten und sozialen Verhalten erwartet wird. Studien zeigen allerdings, dass bei drei untersuchten Ansätzen in der Arbeit mit Angehörigen ein sehr beeindruckendes Erfolgsergebnis für den CRAFT Ansatz nachgewiesen werden konnte. Für Angehörige heißt dies, dass sie zunehmend ihr Leben wieder in die eigene Hand nehmen konnten und dadurch ihre Lebensqualität gesteigert werden konnte und dass es häufig darüber gelingen konnte den Betroffenen in Behandlung zu bekommen.
Ulrike Steffgen 2017-07-27
Koordinatorin Suchthilfeverbund der Caritasverbände in Hessen